Warum Daten- und Kopfsilos die digitale Transformation verhindern

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shows a couple of silos as a metaphor for data silos in enterprises ©

Silos erschweren datengetriebene Anwendungsfälle. Im schlimmsten Fall verhindern sie diese ganz. Lösungsansätze gibt es inzwischen in Fülle - organisatorisch wie auch technologisch. Dieser Beitrag startet eine drei-teiligen Blog-Reihe  zum Spannungsfeld des Datenmanagements in Unternehmen. Timm Grosser, Senior Analyst Data & Analytics im Business Application Research Center (BARC),  liefert Einblicke zur effizienten Datennutzung in Zeiten komplexer Datenlandschaften und mannigfaltiger, unternehmensweiter Anwendungsfälle.

Ist ‚datengetriebenes‘ Handeln die neue Normalität und gibt damit das Zielbild eines erfolgreichen Unternehmens vor? Ist es so selbstverständlich, das Wissen in Unternehmen richtig nutzen zu können für die Unternehmenssteuerung, für die Optimierung von Prozessen oder gar zur Entwicklung neuer innovativer Produkte? Meiner Meinung ist der Großteil der Unternehmen davon noch einige Jahre entfernt. Bei vielen unserer Kunden sind Datenlandschaften verteilt und  nicht integriert. Vielmehr sind sie höchst fragmentiert on-premise oder in der Cloud. Wertvolles, für Automatisierung und Entscheidungsfindung absolut unerlässliches Wissen ‚versteckt‘ sich in den Köpfen von Experten. Kurz um, Silos in den verschiedensten Ausprägungen herrschen auch im Jahr 2021 in den Unternehmen vor.

"Fragmentierte Datenlandschaften
sind die größte Herausforderung auf dem Weg
zum datengetriebenen Unternehmen."

Die Lösungskultur war lange Zeit geprägt von Ansätzen für spezifische Aufgabenstellungen wie Business Intelligence (mit Data Warehouses, Self Service BI Ansätzen), Advanced Analytics Anwendungen (mit Data Lakes) oder operative Anwendungen wie Recommendation-Engines für eCommerce Systeme. In der Folge wurden im Versuch, Daten aus Systemen zu integrieren, abermals Silos geschaffen. Diese sogenannten Insellösungen sind für den speziellen Anwendungsfall auf den ersten Blick effektiv, aber zu kurz gedacht im Hinblick auf die übergreifende Datennutzung im gesamten Unternehmen. Nicht integrierte Insellösungen stehen damit in direktem Konflikt mit dem Ziel einer übergreifenden, flexiblen und kosteneffektiven Datennutzung.

Die Herausforderungen klar adressieren

Aus unserer BARC Sicht werden Datensilos zunehmend riskanter. Sie verhindern fundierte und effiziente Entscheidungsprozesse, die insbesondere auf Managementebene gewünscht sind. Dabei ist die Nutzung von Daten nicht neu. Sie durchdringen die operativen Prozesse und werden von den Fachexperten bis hin zu Abteilungsleitern zweckdienlich für die Geschäftssteuerung genutzt. Dennoch scheint die Arbeit mit Daten oder Datensilos im Allgemeinen noch einige Herausforderungen mitzubringen, wie nachfolgender Auszug aus einer BARC Umfrage von 2020 zeigt.

[Translate to Deutsch:] Antworten auf BARCs Frage: What are the Top 5 content-related challenges in using data? ©
Figure 1: Top 5 content-related challenges in using data, excerpt from BARC's 'Leverage your Data' survey conducted globally in 2020, n: 416.

Auf Managementebene scheint die Erkenntnis um das Potential in Daten erst allmählich zu wachsen. Vor allem hier sehen wir noch viel Aufklärungsbedarf, um ein klares Bewusstsein dafür zu schaffen, was es heißt, mit Daten zu arbeiten. So sehen wir häufig Lippenbekenntnisse wie „Ja, wir wollen datengetrieben werden“, aber keine Konzepte oder konkreten Maßnahmen (bspw. Verantwortungen und Ressourcen schaffen), um dies zu erreichen.

Anwendungsfälle gibt es genug

Insgesamt beflügelt wird der Wunsch zur besseren Datennutzung durch wirklich datengetriebene Unternehmen (z. B. in den Bereichen FinTech), die etablierten Unternehmen langsam den Rang ablaufen. Die mit neuen innovativen Geschäftsmodellen ihre Marktposition weiter ausbauen und dazu ganzheitlichere Anwendungsfälle nutzen. Damit gemeint sind Anwendungsfälle, die auf Wissen und Daten aus dem ganzen Unternehmen aufbauen und nicht nur Daten aus einem spezifischen Data Warehouse oder einer CRM-Applikation nutzen. Dafür gibt es bereits unzählige Beispiele, bspw.:

  • Bedarfsorientierte Steuerung von Produktionsstraßen, in dem aus aktuellem und historischem Kaufverhalten, äußeren Faktoren (bspw. Wetter, lokale Ereignisse) die Nachfrage an Produkten errechnet wird. Darauf aufbauend erfolgt eine optimierte, teils ‚automatisierte‘ Beschaffung von Materialen und Steuerung der Produktionsstraßen über Unternehmen hinweg. Hier gilt es viele Datenpunkte im eigenen Unternehmen, von Zulieferern miteinander zu vernetzen, teils in Echtzeit.
  • Customer 360, in dem Kunden entlang ihrer kompletten Lebenszyklen im Unternehmen mit entsprechenden Services optimal versorgt werden. Vom Erstkontakt, zum Neukunden, zum Stammkunden bis hin zum Upselling sind unterschiedliche Bereiche (Vertrieb, Marketing, Portfoliomanagement, Kundenbetreuung) im Unternehmen involviert. Ziel ist die Steigerung der Kundenloyalität, durch eine einheitliche und zugleich persönliche Ansprache des Kunden, über die bestmöglichen Kanäle mit individuell zugeschnittenen Angeboten und Services.

Daten selbst machen noch kein neues Öl

Die Umsetzung derartiger Anwendungsfälle erfordert ein grundsätzliches Umdenken in der Art und Weise der Datennutzung. Es braucht ein Mindset, das die barrierefreie Nutzung von Daten im Unternehmen ermöglicht oder fördert. Die aktuelle Ausgangssituation ist allerdings problematisch, sowohl technisch als auch fachlich:

  • Daten liegen fragmentiert vor. Die Identifikation von und der Zugriff auf Daten werden zu einer Herausforderung, wenn es darum geht, Unternehmensdaten zu integrieren und Datensilos aufzulösen. Dabei geht es nicht unbedingt um die physische Integration von Daten. Idealerweise besteht eine einfache, einheitliche Datenzugriffsschnittstelle, die unterschiedliche Anwendungstypen unterstützt. Dafür wird jedoch ein Zugriff auf konsistente Daten benötigt. Denn nur so können die einheitliche Nutzung von Daten, ein gleiches Datenverständnis oder Transparenz für Daten gewährleistet werden.
  • Daten an sich liefern keinen Mehrwert. Es braucht die richtigen fachlichen Daten für den jeweiligen Anwendungsfall. Daten brauchen darüber hinaus Kontext und sie müssen interpretierbar sein. Dokumentiertes Wissen zu Daten hilft dabei, Daten mit ihren Beziehungen und Abhängigkeiten besser zu verstehen und richtig anwenden bzw. interpretieren zu können. Die Beschreibung dieses Wissens geschieht in der Regel in Form von Metadaten.
[Translate to Deutsch:] Antwort auf BARCs Frage: To what extent do you agree with the following statements regarding the handling / use of data in your company? ©
Figure 2: To what extent do you agree with the following statements regarding the handling / use of data in your company? Excerpt from the BARC survey "Leverage your Data" conducted globally in 2020, n: 414

Wie wesentlich Wissen zu Daten ist, zeigt der Auszug aus der BARC Studie „Leverage your Data“ von 2020. 93 % der Befragten bestätigen den Mehrwert dokumentierten Expertenwissens. 87 % verstehen, dass sie durch ein besseres Datenmanagement signifikant mehr Nutzen für das Unternehmen erzielen könnten.

Um in der zunehmend volatilen und dynamischen Realität zu bestehen, entsteht also ein dringender Handlungsbedarf um Daten nutzbar zu machen. Es ist an der Zeit, Datensilos ad acta zu legen. Denn Anwendungsfälle, die die ganzheitliche Nutzung von Daten erfordern, werden aus Analystensicht tendenziell zunehmen.

Daten und Wissen im Kontext sehen

Doch was brauchen wir um Datensilos ad acta zu legen? Es gibt dazu zwei wesentliche Diskussionspunkte, neben einer Strategie:

  1. die Organisation erweitern und Datenkompetenzen, Verantwortungen, Prozesse schaffen und damit echte Datenkultur entwickeln oder
  2. der gezielte Einsatz von Technologien und Architekturkonzepten, bspw. Data Fabric Data Catalogs und Knowledge Graphen.

Die Praxis zeigt, dass beide Themen eng miteinander verwoben sind und nicht getrennt betrachtet werden können. Bspw. gelingt die Implementierung der Technologie oder Architektur nicht ohne die entsprechende Organisation. Hier vor allem relevant sind die Strukturen und Verantwortungen zu Daten. Dies ist notwendig, um Daten im Kontext verstehen zu können. Andererseits sehen wir häufig, dass es an adäquaten Architekturkonzepten und Technologien mangelt, um den neuen Aufgabenstellungen und der Komplexität in den Daten begegnen zu können.

Unsere Quintessenz aus den Beratungsprojekten ist, dass ohne einer aktiv involvierten Organisation, die Einführung einer neuen Software nicht den bestmöglichen Nutzen bringen kann oder gar scheitert.

Daten ohne Bedeutung sind nichts wert

Beide Themen sind wesentlich, um eine Struktur zu schaffen, die das Finden und Nutzen von Daten effizienter gestaltet. Damit dies passieren kann, muss Wissen zu Daten, aber auch zu Systemen, und Organisationsstrukturen mit den eigentlichen Daten in einer verständlichen und konsumierbaren Form verknüpft werden. Das bereits mehr als jedes zweite Unternehmen dies auch tatsächlich angeht, zeigt der folgende Auszug aus derselben BARC Studie, in dem wir nach den aktuellen Maßnahmen gefragt haben. Hier benennen die meisten Unternehmen, dass sie mehr Informationen zu ihren Daten schaffen wollen.

[Translate to Deutsch:] Antwort auf BARCs Frage: What are the Top 3 most important solution approaches? ©
Figure 3: Top 3 most important solution approaches, excerpt from BARC's 'Leverage your Data' survey conducted globally in 2020, n: 419.

Als technologische Antwort werden Technologien wie Datenkataloge, Knowledge Graphen oder Data Governance Lösungen heiß diskutiert.  Allesamt adressieren im kleinsten gemeinsamen Nenner eines: Daten finden, verstehen und nutzen zu können. Sie helfen dabei, die Datensilos zu beseitigen und ein ganzheitliches Bild der Daten zu bekommen, für jedermann. Sie sollen einfach anwendbar sein und Komplexität kapseln. Damit wird versucht, vor allem die in Abbildung 1 skizzierten Herausforderungen zu lösen.

Knowledge Graphen bilden das Fundament

In der Beratung sehen wir einen großen Anstieg an Nachfragen nach solchen Technologien. Wachsendes Interesse erzeugen die Knowledge Graphen. Das Interesse lässt sich durch den bereits mehrfach zitierten BARC Survey bestätigen. Bereits 22 % der 354 Befragten geben an einen Knowledge Graphen einzusetzen und weitere 30 % planen dies bereits.

Die ‚Secret Sauce‘ der Knowledge Graphen
ist die Dokumentation von Business Knowledge

Knowledge Graphen bieten vor allem das Potential, Kontext und Beziehungen zwischen Datenobjekten im Unternehmen direkt an den Daten zu beschreiben. Durch die Verknüpfung des Kontexts mit den Realdaten machen Knowledge Graphen Daten für Mensch und Maschine gleichermaßen lesbar und interpretierbar. Das vermeidet Inkonsistenzen in der Bedeutung von Daten und schont den Analysten vor unnötigen Datenaufbereitungsarbeiten oder unnötigen Kommunikationsschleifen.

Eine Navigation in den Unternehmensdaten gelingt intuitiver und ermöglicht damit auch den gezielteren Einsatz von Automatisierung und künstlicher Intelligenz. Eben diese kann durch die Kontextinformationen bessere Automatismen und Vorschläge entwickeln um den Nutzer bei der Kontextpflege oder aber auch im Datenkonsum zu unterstützen. Dies ist sicher mit der Grund, dass auch Datenkatalog-Anbieter vereinzelt Graph-Technologien für ihre Business-Glossare nutzen. Und dass Spezialisten für Knowledge Graphen zunehmend für übergreifende Anwendungsfälle wie unternehmensübergreifende Produktionsketten und Datentransparenz eingesetzt werden.

Die ‚Secret Sauce‘ der Knowledge Graphen ist die Dokumentation von Business Knowledge — dem Wissen der Anwender — und die direkte Verknüpfung mit den Daten. Damit können Kopf- und Datensilos gleichermaßen aufgelöst oder zumindest transparent gemacht werden.

Der Aufwand lohnt sich in den meisten Fällen und ist, meiner Meinung nach, unumgänglich, um datengetrieben Handeln zu können.

Im nächsten Teil des Gastbeitrags erläutert Timm Grosser von BARC die funktionalen Anforderungen an ein Werkzeug zur Auflösung von Datensilos und vertieft das Argument, warum Daten nur mit Kontext nützen.

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Timm Grosser ist Senior Analyst Data & Analytics im Business Application Research Center (BARC). Seine Expertise umfasst Strategiedefinition, Konzeptentwicklung und Softwareauswahl für Data & Analytics mit dem Fokus auf Datenmanagement & Data Governance. Er ist ein angesehener Redner und Autor und berät seit 2007 Unternehmen aller Größen und Branchen.

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